Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland

Die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland setzt sich für Menschen ein, die aufgrund einer fortschreitenden, lebensbegrenzenden Erkrankung mit Sterben und Tod konfrontiert sind.

Die fünf Leitsätze der Charta formulieren Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe, um die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland zu verbessern. Im Mittelpunkt steht dabei immer der betroffene Mensch.

Seit Veröffentlichung der Charta im September 2010 ist es gelungen, viele weitere Akteure in den Prozess einzubeziehen, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den existentiellen Phänomenen Sterben, Tod und Trauer zu fördern und die Ziele der Charta stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. 1.988 Organisationen und Institutionen sowie 23.832 Einzelpersonen – darunter auch zahlreiche Politiker aller Ebenen – haben sich bisher mit ihrer Unterschrift für die Charta und ihre weitere Umsetzung eingesetzt.

(Stand: Februar 2019)

Zur Entstehung, Entwicklung und Organisation der Charta finden Sie weitere Informationen auf der Seite „Die Charta“. Die Broschüre zur Charta können Sie als pdf-Datei herunterladen.

Gesellschaftspolitische Herausforderungen – Ethik, Recht und öffentliche Kommunikation

Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen. Er muss darauf vertrauen können, dass er in seiner letzten Lebensphase mit seinen Vorstellungen, Wünschen und Werten respektiert wird und dass Entscheidungen unter Achtung seines Willens getroffen werden. Familiäre und professionelle Hilfe sowie die ehrenamtliche Tätigkeit unterstützen dieses Anliegen.

Ein Sterben in Würde hängt wesentlich von den Rahmenbedingungen ab, unter denen Menschen miteinander leben. Einen entscheidenden Einfluss haben gesellschaftliche Wertvorstellungen und soziale Gegebenheiten, die sich auch in juristischen Regelungen widerspiegeln.

Wir werden uns dafür einsetzen, ein Sterben unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen und insbesondere den Bestrebungen nach einer Legalisierung der Tötung auf Verlangen durch eine Perspektive der Fürsorge und des menschlichen Miteinanders entgegenzuwirken. Dem Sterben als Teil des Lebens ist gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Bedürfnisse der Betroffenen – Anforderungen an die Versorgungsstrukturen

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt. Die Angehörigen und die ihm Nahestehenden sind einzubeziehen und zu unterstützen. Die Betreuung erfolgt durch haupt- und ehrenamtlich Tätige soweit wie möglich in dem vertrauten bzw. selbst gewählten Umfeld. Dazu müssen alle an der Versorgung Beteiligten eng zusammenarbeiten.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass Versorgungsstrukturen vernetzt und bedarfsgerecht für Menschen jeden Alters und mit den verschiedensten Erkrankungen mit hoher Qualität so weiterentwickelt werden, dass alle Betroffenen Zugang dazu erhalten. Die Angebote, in denen schwerstkranke und sterbende Menschen versorgt werden, sind untereinander so zu vernetzen, dass die Versorgungskontinuität gewährleistet ist.

Anforderungen an die Aus-, Weiter- und Fortbildung

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine angemessene, qualifizierte und bei Bedarf multiprofessionelle Behandlung und Begleitung. Um diesem gerecht zu werden, müssen die in der Palliativversorgung Tätigen die Möglichkeit haben, sich weiter zu qualifizieren, um so über das erforderliche Fachwissen, notwendige Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie eine reflektierte Haltung zu verfügen. Für diese Haltung bedarf es der Bereitschaft, sich mit der eigenen Sterblichkeit sowie mit spirituellen und ethischen Fragen auseinanderzusetzen. Der jeweils aktuelle Erkenntnisstand muss in die Curricula der Aus-, Weiter- und Fortbildung einfließen. Dies erfordert in regelmäßigen Zeitabständen eine Anpassung der Inhalte.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Menschen thematisch differenziert und spezifiziert in die Aus-, Weiter- und Fortbildung der Beteiligten in den verschiedensten Bereichen integriert wird.

Entwicklungsperspektiven und Forschung

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse behandelt und betreut zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden kontinuierlich neue Erkenntnisse zur Palliativversorgung aus Forschung und Praxis gewonnen, transparent gemacht und im Versorgungsalltag umgesetzt. Dabei sind die bestehenden ethischen und rechtlichen Regularien zu berücksichtigen. Zum einen bedarf es der Verbesserung der Rahmenbedingungen der Forschung, insbesondere der Weiterentwicklung von Forschungsstrukturen sowie der Förderung von Forschungsvorhaben und innovativen Praxisprojekten. Zum anderen sind Forschungsfelder und -strategien mit Relevanz für die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen zu identifizieren.

Wir werden uns dafür einsetzen, auf dieser Basis interdisziplinäre Forschung weiterzuentwickeln und den Wissenstransfer in die Praxis zu gewährleisten, um die Versorgungssituation schwerstkranker und sterbender Menschen sowie ihrer Angehörigen und Nahestehenden kontinuierlich zu verbessern.

Die europäische und internationale Dimension

Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht darauf, dass etablierte und anerkannte internationale Empfehlungen und Standards zur Palliativversorgung zu seinem Wohl angemessen berücksichtigt werden. In diesem Kontext ist eine nationale Rahmenpolitik anzustreben, die von allen Verantwortlichen gemeinsam formuliert und umgesetzt wird.

Wir werden uns für die internationale Vernetzung von Organisationen, Forschungsinstitutionen und anderen im Bereich der Palliativversorgung Tätigen einsetzen und uns um einen kontinuierlichen und systematischen Austausch mit anderen Ländern bemühen. Wir lernen aus deren Erfahrungen und geben gleichzeitig eigene Anregungen und Impulse.